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BGH zur Spitzenstellungswerbung – Wettbewerbsrecht

Kategorien: News, Wettbewerbsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Spitzenstellungswerbung dann vorliegen kann, wenn ein Anbieter ein neues Produkt unter Hinweis auf die in der Vergangenheit mit einem anderen Produkt erworbene Marktführerschaft bewirbt. Denn das Verschweigen dieses Umstands sei im Regelfall geeignet, eine unrichtige Vorstellung über die Leistungsfähigkeit des Anbieters hervorzurufen und damit die Entschließung des Publikums über den Erwerb des beworbenen Nachfolgeprodukts im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG in unlauterer Weise zu beeinflussen.

Die Klägerin in dem vom BGH entschiedenen Fall stellt Knochenzemente her. Die Beklagte vertrieb, neben anderen Medizinprodukten, bis September 2005 die Knochenzemente der Klägerin. Ende August 2005 stellte die Klägerin die Belieferung der Beklagten ein und vertrieb ihre Knochenzemente nunmehr selbst. Die Beklagte brachte daraufhin im Jahr 2005 eigene Knochenzemente heraus und vertrieb diese ebenfalls selbst. Bis zur Einstellung dieses Vertriebs im August 2014 war die Beklagte Marktführerin im Bereich von Knochenzementen. Die Einstellung des Vertriebs der Knochenzemente beruhte darauf, dass die Klägerin die Beklagte und andere Unternehmen im Hinblick auf diese Knochenzemente erfolgreich wegen der Verletzung von Betriebsgeheimnissen gerichtlich in Anspruch genommen hatte. Seit Oktober 2014 vertrieb die Beklagte unter einer anderen Bezeichnung Knochenzemente, die von einer anderen Firma hergestellt werden. Zur Bewerbung der nunmehr von ihr vertriebenen Knochenzemente bewarb die Beklagte diese in einer im Internet veröffentlichten Pressemitteilung mit der Überschrift „Zurück an die Spitze“ und unter Verweis auf ihre bis August 2014 bestehende Stellung als Marktführerin im Bereich von Knochenzementen.

Die Klägerin wandte sich daraufhin mit einer Klage gegen die Verwendung der Angabe „Zurück an die Spitze“ in der Überschrift der Pressemitteilung und die Behauptung, die Beklagte sei bis August 2014 Marktführer im Bereich Knochenzemente gewesen. Die Klägerin machte insoweit geltend, diese Angaben seien irreführend gemäß §§ 5, 5a UWG. Die Beklagte sei im August 2014 zwar Marktführerin in dem Segment gewesen, habe die beworbene Marktführerstellung aber deshalb innegehabt, weil sie rechtswidrig anvertraute Betriebsgeheimnisse der Klägerin unbefugt verwendet habe. Diese für den angesprochenen Verkehrskreis wesentliche Information hätte die Beklagte in ihrer Internetwerbung verschwiegen. Die beanstandete Werbung mit der rechtswidrig erlangten Marktführereigenschaft stelle zudem eine nach der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG unzulässige Fruchtziehung aus vorangegangenem wettbewerbswidrigem Tun dar.

Die Klage war vom Landgericht Frankfurt abgewiesen worden und die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt ebenfalls ohne Erfolg geblieben.

Der BGH vereinte in seinem Urteil zwar ebenfalls einen Anspruch der Klägerin auf der Grundlage einer wettbewerbswidrigen Verwendung der Betriebsgeheimnisse der Klägerin durch die Beklagte, gab der Klage aber unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbswidrigkeit der Bewerbung eines neuen Produktes unter Hinweis auf eine in der Vergangenheit mit einem anderen Produkt erworbene Marktführerschaft statt.

Nach der Auffassung des BGH war das Verschweigen der Tatsache, dass die Marktführereigenschaft durch die unbefugte und rechtwidrige Verwendung von Betriebsgeheimnissen erlangt worden war, deshalb nicht wettbewerbswidrig, weil damit keine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise verbunden war. Dazu hat der BGH ausgeführt, dass der Verkehr mit der Behauptung einer Spitzenstellung regelmäßig die Erwartung verbinde, dass der Anbieter in der Lage ist, nach den maßgeblichen Kriterien von Qualität, Service und Preis für den Käufer besonders attraktive Produkte anzubieten. Dass das Unternehmen eine in der Werbung herausgestellte Spitzenstellung nicht (allein) durch eigene Leistung bei der Entwicklung oder dem Vertrieb eines besonders wettbewerbsfähigen Produkts, sondern unter Verletzung von Betriebsgeheimnissen eines Wettbewerbers erreicht habe, stelle der Verkehr erfahrungsgemäß aber nicht in Rechnung.

Der BGH bejahte aber den Unterlassungsanspruch damit, dass die beanstandeten Behauptungen einer Spitzenstellung nicht allein Bedeutung für das konkret beworbene Produkt hätten, sondern nach der Lebenserfahrung auch eine Aussage zu der Leistungsfähigkeit des werbenden Unternehmens selbst treffen würden. Vor diesem Hintergrund würden die angesprochenen Verkehrskreise den angegriffenen Angaben nach ihrem Wortsinn die Aussage entnehmen, die Beklagte sei in der Vergangenheit derart leistungsfähig gewesen, dass sie die Marktführerschaft und die Spitzenstellung auf dem Markt der Knochenzemente habe erlangen können. Aus den Angaben ergebe sich für den Verkehr weiter, dass die Beklagte aufgrund ihrer fortbestehenden Leistungsfähigkeit in der Lage sei, auch mit ihrem neuen Produkt eine entsprechende Spitzenstellung zu erreichen. Die mit der Behauptung einer Spitzenstellung einhergehende Aussage zur besonderen Leistungsfähigkeit des Unternehmens sei für den potentiellen Käufer von besonderer Bedeutung für seine geschäftliche Entscheidung. Mit der Werbung mit einer Spitzenstellung verbinde der Verkehr regelmäßig die Erwartung, der Anbieter sei in der Lage, nach den maßgeblichen Kriterien von Qualität, Service und Preis für den Käufer besonders attraktive Produkte anzubieten. Dass das Unternehmen eine in der Werbung herausgestellte Spitzenstellung nicht (allein) durch eigene Leistung bei der Entwicklung eines besonders wettbewerbsfähigen Produkts, sondern unter Verletzung von Betriebsgeheimnissen eines Wettbewerbers erreicht hat, stelle der Verkehr erfahrungsgemäß nicht in Rechnung. Bewerbe der Anbieter ein neues Produkt unter Hinweis auf die in der Vergangenheit mit einem anderen Produkt erworbene Marktführerschaft, sei das Verschweigen dieses Umstands deshalb im Regelfall geeignet, eine unrichtige Vorstellung über die Leistungsfähigkeit des Anbieters hervorzurufen und damit die Entschließung des Publikums über den Erwerb des beworbenen Nachfolgeprodukts im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG in unlauterer Weise zu beeinflussen.

BGH, Urteil vom 16.11.2017 (Az. I ZR 160/16 – „Knochenzement II“)

Anmerkung: Die Entscheidung des BGH ist vor allem deshalb von Interesse, weil darin eine Abgrenzung der unterschiedlichen wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG und dem Tatbestand der Irreführung durch Unterlassen gemäß § 5a Abs. 1 UWG vorgenommen wird.

Der BGH hat in seiner Entscheidung betont, dass Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG wäre, dass von einem wettbewerbsrechtlich angegriffenen Verhalten eine unmittelbare Störung des lauteren Wettbewerbs ausgeht oder sonst ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem unlauteren Vorgehen und der als Fruchtziehung beanstandeten Handlung besteht. Begründet hat er das damit, dass das Kriterium der Unmittelbarkeit erforderlich wäre, um zu verhindern, dass Verhaltensweisen dem Verbot der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG unterworfen werden, die für sich genommen mit den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs im Einklang stehen. Damit hat der BGH erneut deutlich gemacht, dass die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG keine Auffangklausel für nicht anders unter die wettbewerbsrechtlichen Normen zu fassenden Sachverhalte sein soll. Die vom BGH bejahte Anwendbarkeit des § 5a Abs. 1 UWG ist hingegen ein weiterer deutlicher Hinweis darauf, dass es wettbewerbsrechtlich zu beanstanden sein kann, sich insbesondere bei einer Spitzenstellungswerbung mit „fremden Federn“ zu schmücken.

EuGH zu Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Online-Shops

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich einem Urteil mit der Zulässigkeit von so genannten Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Online-Shops beschäftigt.

In der Entscheidung des EuGH ging es um die Klausel in den AGB von Amazon, dass auf die vertraglichen Beziehungen von Amazon zu den Kunden von Amazon ausschließlich luxemburgisches Recht anwendbar sein sollte.

Der EuGH hat dazu entschieden, dass eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Gewerbetreibenden enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der auf einen auf elektronischem Weg mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrag das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden ist, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, missbräuchlich ist, sofern sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie ihm den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung (Rom-I-VO; VO (EG) Nr. 593/2008) auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre.

EuGH, Urteil vom 28.07.2016 (Az. C-191/15 – „Verein für Konsumenteninformation / Amazon EU Sàrl“)

Anmerkung: Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechung hat diese Entscheidung voraussichtlich nicht, denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits 2012 (BGH, Urteil vom 19. Juli 2012, Az. I ZR 40/11 – „Pharmazeutische Beratung über Call-Center“), ebenfalls unter Verweis auf die Rom-I-VO, im Fall einer ausländischen Versandapotheke, entschieden, dass derartige Rechtswahlklauseln inländische (deutsche) Verbraucher unangemessen benachteiligen können. Rechtswahlklauseln in AGB von Online-Shops, die eine ausschließliche Anwendbarkeit nationalen (deutschen oder ausländischen) Rechts regeln, sind und bleiben daher jedenfalls dann sehr riskant, wenn sich das Angebot eines Online-Shops auch an Verbraucher außerhalb des Landes richtet, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat. Wer eine solche Regelung in den AGB seines Online-Shops hat, setzt sich dadurch der Gefahr aus, aus wettbewerbsrechtlichen Gründen abgemahnt zu werden.