BGH zur Haftung für Kundenbewertungen bei Amazon
Was war geschehen?
Der BGH hat mit Urteil vom 20.02.2020 (Aktenzeichen I ZR 193/18) entschieden, dass den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts für Kundenbewertungen des Produkts grundsätzlich keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.
Die Beklagte vertreibt Kinesiologie-Tapes. Diese Produkte hat sie in der Vergangenheit damit beworben, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien, was jedoch medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte wurde deswegen von einem Verbraucherschutzverein abgemahnt und gab daraufhin im November 2013 gegenüber dem Verein, dem jetzigen Kläger eine Unterlassungserklärung abgegeben.
Die Beklagte bietet ihre Produkte auch über Amazon an. Dort wird für jedes Produkt über die EAN (European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen soll, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Käuferinnen und Käufer können bei Amazon die Produkte bewerten. Amazon weist eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem – unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen – Produkt abgegeben wurden.
Im Januar 2017 bot die Beklagte bei Amazon Kinesiologie-Tapes an. Unter diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain…“, „Schnell lässt der Schmerz nach“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“ enthielten. Der Kläger forderte von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Löschung der Kundenrezensionen lehnte Amazon auf Anfrage der Beklagten ab.
Der Kläger begehrt Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten. Die Beklagte habe sich die Kundenrezensionen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht anbieten
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a* UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar seien die in den Kundenrezensionen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche Werbung der Beklagten nicht zuzurechnen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte für Kundenbewertungen der von ihr bei Amazon angebotenen Produkte keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.
Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 HWG, die Werbung für Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen Dritter verbietet. Die Kundenbewertungen sind zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat sie weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch hat sie sich die Kundenbewertungen zu eigen gemacht, indem sie die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hat. Die Kundenbewertungen sind vielmehr als solche gekennzeichnet, finden sich bei Amazon getrennt vom Angebot der Beklagten und werden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre der Beklagten als Verkäuferin zugerechnet.
Die Beklagte traf auch keine Rechtspflicht, eine Irreführung durch die Kundenbewertungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG zu verhindern. Durch ihr Angebot auf Amazon wird keine Garantenstellung begründet. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Einer Abwägung mit dem Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit, die als Gemeinschaftsgut von hohem Rang einen Eingriff in dieses Grundrecht rechtfertigen könnte, bedarf es hier nicht, weil Anhaltspunkten für eine Gesundheitsgefährdung bei dem Angebot von Kinesiologie-Tapes fehlen.
Stellungnahme:
Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Denn es wäre für den Anbieter von Waren über Amazon realistischerweise faktisch nicht möglich, sämtliche Kundenbewertungen ständig auf ihren Aussagegehalt zu überprüfen und eine eigene (rechtliche) Wertung vorzunehmen, dass und ob eine Käufer-Bewertung irreführende Angaben enthält. Auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit ist das Urteil zu begrüßen. Schließlich sei noch der Hinweis erlaubt, dass der Fall sehr anschaulich zeigt, dass Verbraucherschutzvereine immer gerne gegen vermeintlich schwächere Gegner bei der Durchsetzung ihrer Interessen vorgehen, statt sich mit dem eigentlichen „Verursacher“, nämlich Amazon und dessen System der automatisierten Zuweisung von Kundenrezensionen rechtlich auseinander zu setzen, da dies wohl einfach zu aufwendig und mühsam sein dürfte.
Vorinstanzen:
LG Essen – Urteil vom 30. August 2017 – 42 O 20/17
OLG Hamm – Urteil vom 11. September 2018 – 4 U 134/17
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG
Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;
§ 8 Abs. 1 UWG
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.
§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG
Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
Fundstelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/2020021.html;jsessionid=07430D66478DCD5F4707CA9E1D0DC73A.1_cid359?nn=10690868
Influencerin muss Verlinkungen auf Instagram als Werbung kenntlich machen
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) untersagt mit Beschluss vom 24.10.2019 einer Influencerin und Youtuberin, im geschäftlichen Verkehr auf ihrem Instagram-Account Bilder von sich im Internet zu präsentieren und dabei Waren und/oder Dienstleistungen vorzustellen nebst Verlinkung zu den Accounts der jeweiligen Hersteller, ohne diese Veröffentlichungen als Werbung kenntlich zu machen.
Die Antragstellerin betreibt einen Verlag. Die Antragsgegnerin ist Influencerin und Youtuberin. Sie unterhält eine personalisierte Webseite auf Instagram und hat über eine halbe Million Follower. Dort postet sie zahlreiche Bilder, überwiegend von sich selbst. Sie verlinkt diese Bilder mit den Instagram-Accounts der Anbieter der jeweils in ihren Posts dargestellten Produkte sowie Dienstleistungen. Die Posts werden nicht als Werbung kenntlich gemacht. In jedenfalls zwei Begleittexten bedankt sich die Antragsgegnerin ausdrücklich bei zwei Produktherstellern, auf deren Instagram-Accounts sie verlinkt hatte, für die Einladung zu zwei Reisen.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Antragsgegnerin betreibe mit der gewählten Präsentation von Produkten und Dienstleistungen auf ihrem Instagram-Account verbotene redaktionelle Werbung. Das Landgericht hat einen auf Unterlassen gerichteten Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Die Beschwerde hat vor dem OLG Erfolg. Die Antragsgegnerin handele unlauter, stellt das OLG fest. Sie habe den tatsächlich vorhandenen kommerziellen Zweck ihrer geschäftlichen Handlungen nicht kenntlich gemacht; der kommerzielle Zweck ergebe sich auch nicht unmittelbar aus den Umständen.
Der Instagram-Account der Antragsgegnerin stelle, so das OLG, eine geschäftliche Handlung dar; die „Instagram-Posts…dienten zunächst der Förderung fremder Unternehmen“. Es handele sich um Werbung, die den Absatz der präsentierten Produkte steigern und das Image des beworbenen Herstellers und dessen Markennamen oder Unternehmenskennzeichen fördern soll. Die Antragsgegnerin sei unstreitig eine Influencerin. Sie präsentiere sich in ihren Posts nicht als Werbefigur, sondern als Privatperson, die andere an ihrem Leben teilhaben lassen und dabei sehr authentisch wirke. In dem sie auf ihren Posts etwa einen „Tag“ auf ein Hotel setze, mache sie Werbung für dieses Hotel. Der redaktionelle Beitrag habe auch nicht in Verbindung zu diesem Hotel gestanden. Sie erhalte auch eine Gegenleistung für ihre Werbung. Dies folge etwa daraus, dass sie sich ausdrücklich bei zwei Unternehmen, für das sie auf ihren Posts „Tags“ gesetzt hatte, für die Reiseeinladungen bedankte.
Der Instagram-Account der Antragsgegnerin sei auch insgesamt als kommerziell einzuordnen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin für jeden „Tag“ eine Gegenleistung erhalten oder erwartet habe. Als Autorin eines Buches, das zu den Spiegel-Online-Bestsellern zähle, nutze sie ihre Bekanntheit als Influencerin, um ihre eigenen Produkte zu vermarkten. Sie erziele als Influencerin Einkünfte damit, dass sie „Produkte und auch sich selbst vermarktet“, betont das OLG.
Die Handlungen der Antragsgegnerin seien zudem geeignet, „den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“, stellt das OLG schließlich fest. Es genüge, dass die Verbraucher aufgrund der Posts Internetseiten öffneten, die es ermöglichten, sich näher mit einem bestimmten Produkt zu befassen. Die Verbraucher würden hier auf den jeweiligen Instagram-Account der Hersteller der präsentierten Produkte geleitet. „Entscheidend ist, dass die Antragsgegnerin als Influencerin und damit als Werbefigur ihre Follower zum Anklicken der „Tags“ motiviert“, fasst das OLG abschließend zusammen.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.10.2019, Az. 6 W 68/19
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.6.2019, Az. 2-6 O 235/19)
Anmerkung:
Das OLG Frankfurt hatte sich schon des Öfteren mit Influencern und deren „geschäftlichen Gebahren“ auseinanderzusetzen. Dabei lässt sich gut ablesen, dass das Gericht strenge Maßstäbe an die Kenntlichmachung von Werbung stellt. Nach Ansicht des OLG liegt eine verbotene Schleichwerbung dann vor, wenn ein Influencer ein Produkt empfiehlt, ohne den kommerziellen Zweck kenntlich zu machen, sofern ein solcher in irgendeiner Weise vorgelegen hat.
Erläuterungen:
§ 5a UWG Irreführung durch Unterlassen
(1) …
(6) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 24.10.2019 – Nr. 59/2019
Verbot intransparenter bezahlter Bewertungen bei Amazon
Ein neuer Beschluss des Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main vom 22.02.2019 (Az.: 6 W 9/19) steckt den Rahmen für das Werbemittel der Kundenrezension ab. Und beantwortet die Frage, wie transparent diese sein müssen.
Worum geht es?
Amazon hatte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen ein Unternehmen beantragt, das Drittanbietern auf amazon.de – also von Amazon unabhängige Verkäufer – die Erstellung und Veröffentlichung von Kundenrezensionen gegen Entgelt anbietet. Konkret handelte es sich bei der Antragstellerin um eine Zweigniederlassung von „Amazon EU Sárl“ (= GmbH) und Verkäuferin der auf der Plattform „amazon.de“ angebotenen Produkte, welche diese mit dem Zusatz „Verkauf und Versand durch Amazon“ oder mit dem Handelsnamen „Warehousedeals“ ausgewiesen hatte. Die Antragsgegnerin (Name soll hier nicht genannt werden) bietet sogenannten Drittanbietern auf „amazon.de“ – also von der Antragstellerin unabhängigen Verkäufern – die Erstellung und Veröffentlichung von Kundenrezensionen gegen entsprechende Bezahlung an. Drittanbieter, die ihre Produkte über „amazon.de“ verkaufen möchten, können sich bei der Antragsgegnerin registrieren. Die Antragsgegnerin vermittelt auf Wunsch einen Produkttester, der dann das über „amazon.de“ erworbene Produkt bewertet. Er erhält hierfür im Regelfall das Produkt – gegebenenfalls gegen Zahlung eines kleinen Eigenanteils – und darf es behalten. Die Rezension wird über das Portal der Antragsgegnerin automatisiert bei „amazon.de“ eingestellt. Amazon hält es für unlauter, dass die Antragsgegnerin diese „bezahlten“ Kundenrezensionen auf „amazon.de“ veröffentlicht, ohne darauf hinzuweisen, dass der Rezensent hierfür einen vermögenswerten Vorteil erhalte (§ 5a Abs. 6 UWG).
Das Landgericht Frankfurt am Main hatte im Dezember 2018 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Nun wurde das OLG Frankfurt am Main von Amazon angerufen und musste sich mit der Sache zu befassen.
Die Ansicht des OLG Frankfurt am Main
Das OLG sah die Sache anders als das LG Frankfurt. Es verbot es der Antragsgegnerin, auf „amazon.de“ „gekaufte“ Kundenrezensionen zu veröffentlichen, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass diese Rezensionen entgeltlich beauftragt wurden. Die Antragsgegnerin handelt nach Ansicht des Gerichts unlauter und damit wettbewerbswidrig. Denn sie hat den „kommerziellen Zweck“ der eingestellten Produktrezensionen nicht kenntlich gemacht und dem Verbraucher den kommerziellen Hintergrund der Bewertungen „nicht klar und eindeutig“ zu erkennen gegeben. Maßgeblich sei dabei die Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers. Dieser geht nach Ansicht des Gerichts bei Produktbewertungen davon aus, „dass diese grundsätzlich ohne Gegenleistung erstellt werden“. Die Idee eines jeden Bewertungsportals beruht darauf, dass die Bewertenden die „Produkte aufgrund eines eigenständigen Kaufentschlusses erworben haben und nunmehr ihre Bewertung unbeeinflusst von Dritten mitteilen“. Der Verbraucher erwarte zwar nicht unbedingt eine objektive Bewertung vergleichbar einem redaktionellen Bericht. Er erwarte wohl aber eine „authentische“und eben nicht „gekaufte“ Bewertung. Die von der Antragsgegnerin vermittelten Rezensionen entsprächen nicht dieser Verbrauchererwartung, da die Tester einen vermögenswerten Vorteil für das Schreiben einer Bewertung erhielten.
Noch kann Rechtsmittel eingelegt werden
Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Die Antragsgegnerin kann Widerspruch einlegen, über den das LG zu entscheiden hätte. Hintergrund für diesen Rechtsweg ist, dass hier das OLG die zunächst beim LG erfolglos beantragte einstweilige Verfügung erlassen hat. Die Rechtmäßigkeit einer erstmals erlassenen einstweiligen Verfügung kann der Antragsgegner grundsätzlich im Wege des – nicht fristgebundenen – Widerspruchs vor dem Eingangsgericht überprüfen lassen. Gegen eine Entscheidung des LG wäre dann das Rechtsmittel der Berufung gegeben, über die wiederum das OLG entscheiden müsste. Ob aber dann mit einem anderen Ausgang zu rechnen wäre, ist ungewiss.
Fazit
Das OLG lässt mit seiner Entscheidung keinen Zweifel daran, dass mit „gekauften“ Rezensionen äußerst vorsichtig umgegangen werden muss. Wer solche Bewertungen zur Absatzförderung im geschäftlichen Verkehr als Marketing-Tool einsetzt, sollte klar und deutlich darauf hinweisen, dass hierfür Geld bezahlt wurde oder andere vermögenswerten Vorteile geflossen sind. Denn natürlich hat die Nutzung von Kundenbewertungen eine erhebliche geschäftliche Relevanz. Und eben diese ist in den Blick zu nehmen bei der Beurteilung der Frage, ob eine Wettbewerbshandlung eines Händlers lauter oder eben unlauter ist. Produktbewertungen, bei denen für den Verkehr erkennbar ist, dass der Rezensent eine Gegenleistung erhalten hat, werden vom Verkehr nun einmal anders gewürdigt als Bewertungen, bei denen der Rezensent für das Produkt bezahlt hat und aus eigenem Antrieb eine eine Bewertung vornimmt. Damit ist das Nichtkenntlichmachen geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dass dies insbesondere bei hochpreisigen Gütern für den Verbraucher dann unangenehme finanzielle Folgen haben kann, dürfte auf der Hand liegen.
OLG Frankfurt am Main – 22.02.2019 – 6W 9/19
Vorinstanz: LG Frankfurt am Main – 19.12.2018 – AZ: 2-6 O 469/18