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OLG Hamburg – Keine Störerhaftung eines angestellten Fotografen für rechtswidrige Veröffentlichung von ihm gefertigter Fotos

Kategorien: Medienrecht, News, Urheberrecht

In einer urheberrechtlichen Streitigkeit hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG Hamburg) die Störerhaftung eines angestellten Fotografen für die rechtswidrige Veröffentlichung von ihm gefertigter Fotos verneint. In einem Urteil vom 13.03.2018 hat das OLG Hamburg dazu entschieden, dass gegen Hilfspersonen desjenigen, der urheberrechtswidrige Inhalte verbreitet, dem von einer rechtswidrigen Veröffentlichung Betroffenen kein Unterlassungsanspruch zusteht. Denn Hilfspersonen des Verbreiters, die trotz ihres Beitrags zur Erstellung oder Verbreitung einer rechtsverletzenden Veröffentlichung auf deren Inhalt keinen Einfluss haben, weil es sich bei ihrer Tätigkeit um reine Hilfstätigkeiten handelt, sind laut dem OLG Hamburg keine Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB analog. Nicht Störer hinsichtlich einer rechtswidrigen Zeitschriftenveröffentlichung ist danach der Fotograf, der auf Anforderung eines Redakteurs ein Bild zu einem vorgegebenen Thema anfertigt, wenn er auf die Art und Weise, in der das Bild Verwendung findet, keinen Einfluss hat.

Worum ging es?

Gegenstand des vom OLG Hamburg entschiedenen Rechtstreits waren von dem beklagten Fotografen angefertigte Luftbildaufnahmen, die ein den Klägern gehörendes Anwesen auf der Halbinsel Schwanenwerder zeigen. Die Luftaufnahmen zeigen auch von öffentlichen Plätzen aus nicht einsehbare Teile des Grundstücks der Kläger. Auf dem Grundstück der Kläger steht das Gebäude eines Architekten, an dem Urheberrechte bestehen, an denen die Kläger sich von dem Architekten das ausschließliche Nutzungsrecht haben übertragen lassen.

Veröffentlicht worden sind die Fotografien in der Ausgabe der Zeitung „D“ vom 26. Juni 2011 im Rahmen eines Beitrages über den Verkauf eines in der Nähe des klägerischen Grundstücks belegenen Grundstücks auf der Halbinsel Schwanenwerder, auf dem früher eine von Joseph Goebbels bewohnte Villa gestanden hatte.

Der Beklagte ist ein bei dem Verlag der „D“ angestellter Fotograf. Er erhielt den Auftrag, im Hinblick auf eine geplante Berichterstattung über den Verkauf des ehemals Goebbels gehörenden Grundstücks Fotografien beizusteuern. Er fertigte aus der Luft Fotografien an, von denen er meinte, dass sie zur Bebilderung des geplanten Artikels verwendet werden könnten. Dabei ging er davon aus, dass die mit der Erstellung des Artikels befasste Redaktion aus den von ihm gelieferten Fotografien eine Auswahl nach journalistischen Kriterien treffen würde und die Fotografien in einer rechtlich zulässigen Weise verwenden würden. An der Auswahl der Fotografien, deren Bearbeitung, der Erstellung des Textes und des Layouts des veröffentlichten Artikels war der Fotograf nicht beteiligt.

Die Kläger begehrten von dem beklagten Fotografen die Unterlassung der Verbreitung der vom Beklagten angefertigten Luftaufnahmen, die der Beklagte angefertigt hatte, sowie den Ersatz von Abmahnkosten. Das Landgericht Hamburg hatte den Klägern noch Recht gegeben. Das Landgericht hatte zwar einen Anspruch der Kläger auf Unterlassung der Verbreitung der Aufnahmen aus dem Gesichtspunkt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verneint, den Beklagten aber aus dem Gesichtspunkt des Urheberrechts (§ 97 Abs. 1 UrhG) als Störer zur Unterlassung verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hob das OLG Hamburg das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Entscheidung des OLG Hamburg

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass den Klägern der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus keinem Gesichtspunkt zusteht. Das gelte auch dann, wenn in der beanstandeten Veröffentlichung in der Zeitung „D“ eine Verletzung von Rechten der Kläger liegen sollte; denn für diese Rechtsverletzung wäre jedenfalls der Beklagte nicht verantwortlich. Der Beklagte schulde den Klägern schon deshalb keine Unterlassung weil er hinsichtlich eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB analog (in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht) nicht Störer bzw. hinsichtlich eines Anspruchs aus § 97 Abs. 1 UrhG nicht Täter der von den Klägern gerügten Beeinträchtigung sei, so dass eine Störerhaftung des beklagten Fotografen ausscheide.

Dazu hat das OLG Hamburg ausgeführt, dass urheberrechtliche und persönlichkeitsrechtsverletzende Unterlassungsansprüche zwar, da nicht an ein Verschulden gebunden, grundsätzlich weitgehend wären. Deshalb bedürfe aber die Störerhaftung insoweit einer Einschränkung mit der Folge, dass nicht jedes bloße Setzen eines Kausalbeitrages für eine vorgekommene Beeinträchtigung in einem durch Unterlassungsansprüche geschützten Rechtsgut bereits einen solchen Anspruch begründet. Insbesondere im Bereich des Pressewesens wäre es nicht hinnehmbar, wenn jede Person, die an der Erstellung oder Verbreitung eines Presserzeugnisses beteiligt ist, hinsichtlich der in dem Presseerzeugnis vorkommenden Rechtsverletzung selbst Unterlassung schulden würde. Denn eine so weitgehende Haftung hätte auf die Abläufe eines funktionierenden Pressesystems einen eines hindernden Einfluss, der mit der grundsätzlichen Garantie der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – einer für einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat schlechthin konstituierenden Institution – nicht vereinbar wäre. Das hat allerdings nicht zur Folge, dass Unterlassungsansprüche nur eng begrenzt gegenüber dem Urheber der rechtsverletzenden Äußerung oder dem Verlag oder der Sendeanstalt als deren maßgeblichem Distributor bestehen würde.

Die Grenze der Haftung sei aber jedenfalls dort erreicht, wo es um die Tätigkeit von Hilfspersonen geht, die trotz ihres Beitrags zur Erstellung oder Verbreitung einer rechtsverletzenden Veröffentlichung auf deren Inhalt keinen Einfluss haben, weil es sich bei ihrer Tätigkeit um reine Hilfstätigkeiten handelt. Im Stadium der Verbreitung der Veröffentlichung wären das z.B. Personen wie Boten, Briefträger, Zusteller, Plakatkleber und Prospektverteiler. Im Stadium der Erstellung von Beiträgen z.B. die Personen, die – ohne dass sie über den Inhalt der Veröffentlichung bestimmen dürften oder könnten – solche Hilfstätigkeiten erbringen, die typischerweise pressebezogen sind, in enger organisatorischer Bindung an die Presse erfolgen, für das Funktionieren einer freien Presse notwendig sind und deren staatliche Regulierung sich einschränkend auf die Meinungsverbreitung auswirken würde. Als solche Hilfstätigkeit habe bereits der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Zulieferung von Bildern aus einem Bildarchiv angesehen. Für eine Hilfsperson, die auf Anforderung eines Redakteurs aus einem Bildarchiv ein Bild zu einem bestimmten Thema heraussucht, ohne darauf Einfluss zu haben, in welchem Zusammenhang das Bild veröffentlicht wird, könne aber nichts anderes gelten als für die Hilfsperson, die als Fotograf auf Anforderung eines Redakteurs ein Bild zu einem vorgegebenen Thema anfertigt, wenn sie auf die Art und Weise, in der das Bild Verwendung findet, keinen Einfluss habe.

OLG Hamburg 7. Zivilsenat, Urteil vom 13.03.2018 (Az. 7 U 57/13, „Schwanenwerder“)

Anmerkung:

Mit seinem Urteil ist das OLG Hamburg einer allzu weitgehenden Haftung für die Verbreitung urheberrechtswidriger Fotografien entgegengetreten. Die Entscheidung des OLG entspricht einer in der Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte in letzter Zeit zu erkennenden Tendenz, die Störerhaftung auch im Urheberrecht auf diejenigen Personen zu beschränken, die über die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten verfügen, mögliche Urheberrechtsverstöße vor einer Veröffentlichung zu erkennen und gegebenenfalls von der Veröffentlichung abzusehen. An den bestehenden Prüfpflichten vor der Veröffentlichung von Fotografien ändert dies grundsätzlich aber nichts. Wer selber Fotografien öffentlich zugänglich macht, ist auch weiterhin gut beraten, vor einer Veröffentlichung zu überprüfen, ob dadurch Rechte Dritter verletzt werden können.

BGH erklärt so genannte Adblocker auf Internetseiten für zulässig

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat urteilte am 19.04.2018, dass das Angebot des Adblocker (Werbeblocker-)Programms „AdBlock Plus“ nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt (Urteil vom 19.04.2018 – I ZR 154/16).

Sachverhalt:

Die Klägerin (Axel Springer) stellt ihre redaktionellen Inhalte auch auf eigenen Internetseiten zur Verfügung. Dieses Angebot ist werbefinanziert, d.h. mit dem Entgelt, das sie von anderen Unternehmen für die Veröffentlichung von Werbung auf diesen Internetseiten erhält.

Die Beklagte vertreibt das Computerprogramm AdBlock Plus, mit dem Werbung auf Internetseiten durch technische Maßnahmen unterdrückt werden kann (einen so genannten Adblocker). Dabei ist es so, dass Werbung, die von den bestimmten Filterregeln erfasst wird, die in einer sogenannten Blacklist enthalten sind, automatisch blockiert werden und dadurch dem Internetnutzer nicht angezeigt wird. Die Beklagte bietet Unternehmen aber auch die Möglichkeit, ihre Werbung von dieser Blockade durch Aufnahme in eine sogenannte Whitelist ausnehmen zu lassen. Hierbei ist Bedingung, dass diese Werbung die von der Beklagten gestellten Anforderungen an eine „akzeptable Werbung“ erfüllt und die Unternehmen die Beklagte am Umsatz beteiligen.

Die Klägerin hielt den Vertrieb des Adblockers durch die Beklagte für wettbewerbswidrig. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen und hilfsweise das Verbot beantragt, ein solches Computerprogramm anzubieten, wenn und soweit Werbung nur nach von der Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird.

Die Entscheidung des BGH:

Nach Auffassung des BGH stellt das Angebot eines Adblockers keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG dar, da eine Verdrängungsabsicht nicht vorliegt. Die Beklagte verfolgt in erster Linie die Beförderung ihres eigenen Wettbewerbs. Sie erzielt Einnahmen, indem sie gegen Entgelt die Möglichkeit der Freischaltung von Werbung durch die Aufnahme in die Whitelist eröffnet. Das Geschäftsmodell der Beklagten setzt demnach die Funktionsfähigkeit der Internetseiten der Klägerin voraus. Die Beklagte wirkt mit dem Angebot des Programms nicht unmittelbar auf die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen ein. Der Einsatz des Programms liegt in der autonomen Entscheidung der Internetnutzer. Die mittelbare Beeinträchtigung des Angebots der Klägerin ist nicht unlauter. Das Programm unterläuft keine gegen Werbeblocker gerichteten Schutzvorkehrungen des Internetangebots der Klägerin. Auch die Abwägung der Interessen der Betroffenen führt nach Ansicht des BGH nicht zu dem Ergebnis, dass eine unlautere Behinderung der Klägerin vorliegt. Der Klägerin ist auch mit Blick auf das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) zumutbar, den vom Einsatz des Programms ausgehenden Beeinträchtigung zu begegnen, indem sie die ihr möglichen (technischen) Abwehrmaßnahmen ergreift. Dazu gehört etwa das Aussperren von Nutzern, die nicht bereit sind, auf den Einsatz des Werbeblockers zu verzichten.

Es liegt auch keine allgemeine Marktbehinderung vor, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Geschäftsmodell der Bereitstellung kostenloser Inhalte im Internet zerstört wird.

Das Angebot des Adblocker stellt auch – anders als das Berufungsgericht angenommen hat – keine aggressive geschäftliche Handlung gemäß § 4a UWG gegenüber Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung auf den Internetseiten der Klägerin interessiert sind. Es fehlt an einer unzulässigen Beeinflussung dieser Marktteilnehmer, weil die Beklagte eine ihr durch das technische Mittel des Werbeblockers etwaig zukommende Machtposition jedenfalls nicht in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit der Marktteilnehmer zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Vorinstanzen:

LG Köln – Urteil vom 29. September 2015 – 33 O 132/14; OLG Köln – Urteil vom 24. Juni 2016 – 6 U 149/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

  • 4 Nr. 4 UWG

Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert.

  • 4a UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigten durch

Belästigung,

Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt,

unzulässige Beeinflussung.

Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich beeinträchtigt.

(2) Bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 ist, ist abzustellen auf

1. Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung;

2. die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen;

3. die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen;

4. belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln (…)

Anmerkung: Der klagende Verlag (Axel Springer) will nach eigenen Angaben das Urteil so nicht akzeptieren und hat unmittelbar nach der Urteilsverkündung Verfassungsbeschwerde angekündigt. Neben der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts glaubt der Konzern noch einen anderen rechtlichen Trumpf im Ärmel zu haben. So hat die Klage unter Berufung auf das Wettbewerbsrecht zwar keinen Erfolg gehabt. Im Laufe des Verfahrens hatte Axel Springer von Gutachtern aber die Funktion von Adblock Plus genau untersuchen lassen und ist der Überzeugung, dass das Programm den urheberrechtlich geschützten Quelltext der Webseite umschreibe und damit verändere. Dies stelle einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar, den der Verlag nun auch gerichtlich verfolgen will. Ob dieser Trumpf ein As ist, wird sich aber erst noch zeigen. Adblocker sind und bleiben nun einmal bei Internetseitenbetreibern.

BGH zum Umfang der Pressefreiheit – Videoaufnahmen aus Bio Hühnerställen

Kategorien: Medienrecht, News

Der für Presserecht zuständige VI. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden, dass die Veröffentlichung von heimlich in einem Hühnerstall gedrehten Videos im Zuge der Berichterstattung über Zustände in der Tierhaltung auch dann von der Pressefreiheit gedeckt ist, wenn sich die dokumentierten Zustände in einem rechtlich zulässigen Rahmen bewegen. Der BGH hat mit seiner Entscheidung die Rolle der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ bestätigt.

Der Erzeugerzusammenschluss Fürstenhof GmbH hatte den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) wegen der Verbreitung der Filmaufnahmen über die Zustände in zwei seiner Mitgliedsunternehmen verklagt.

Die von einem Tierschutzaktivisten heimlich in den Hühnerställen der Unternehmen gedrehten Videos waren dem MDR von dem Tierschutzaktivisten überlassen wurden. Die Videos wurden als Teil von Filmbeiträgen in der Reihe ARD Exklusiv unter dem Titel „Wie billig kann Bio sein?“ und im Rahmen der Sendung „FAKT“ unter dem Titel „Biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten“ ausgestrahlt worden. Die Videoaufnahmen zeigten u.a. Hühner mit unvollständigem Federkleid und tote Hühner. Die Beiträge befassten sich u.a. mit den Auswirkungen, die die Aufnahme von Bio-Erzeugnissen in das Sortiment der Supermärkte und Discounter zur Folge hat, und warfen die Frage auf, wie preisgünstig Bio-Erzeugnisse sein können.

Das Landgericht Hamburg hatte den MDR antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Einzelnen näher bezeichnete Bildaufnahmen zu verbreiten, die verpackte Waren, tote Hühner oder solche, die ein unvollständiges Federkleid haben, eine umzäunte Auslauffläche und die Innenaufnahme eines Hühnerstalls zeigen. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG Hamburg) keinen Erfolg. Der BGH hat die Entscheidungen des Landgerichts und der Oberlandesgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung des BGH

Die Verbreitung der Filmaufnahmen verletze weder das Unternehmerpersönlichkeitsrecht der Klägerin noch ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zwar seien die Filmaufnahmen – die eine Massentierhaltung dokumentieren und tote oder nur mit unvollständigem Federkleid versehene Hühner zeigen – geeignet, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Der Senat sei auch davon ausgegangen, dass die Ausstrahlung der nicht genehmigten Filmaufnahmen das Interesse der Klägerin berühre, ihre innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Diese Beeinträchtigungen wären aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwögen das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs und ihre unternehmensbezogenen Interessen. Dies gelte trotz des Umstands, dass die veröffentlichten Filmaufnahmen durch den Tierschützer rechtswidrig hergestellt worden waren. Die Beklagte hatte sich an dem vom Tierschützer begangenen Hausfriedensbruch nicht beteiligt. Mit den beanstandeten Aufnahmen würden keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Klägerin offenbart. Die Aufnahmen dokumentierten vielmehr die Art der Hühnerhaltung durch dem Erzeugerzusammenschluss angehörige Betriebe; an einer näheren Information über diese Umstände habe die Öffentlichkeit grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Die Filmaufnahmen informierten den Zuschauer zutreffend. Sie transportierten keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern gäben die tatsächlichen Verhältnisse in den beiden Ställen zutreffend wieder. Mit der Ausstrahlung der Filmaufnahmen habe die Beklagte einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geleistet. Die Filmberichterstattung setze sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bio-Erzeugnissen auseinander und zeige die Diskrepanz zwischen den nach Vorstellung vieler Verbraucher gegebenen, von Erzeugern oder Erzeugerzusammenschlüssen wie der Klägerin herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards einerseits und den tatsächlichen Produktionsumständen andererseits auf. Es entspreche der Aufgabe der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“, sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Funktion der Presse sei nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt.

BGH, Urteil vom 10.04.2018 (Az. VI ZR 396/16 – „Bio Hühnerställe“)

Anmerkung: Das Urteil des BGH ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen, weil die Videoaufnahmen von dem Tierschützer auf rechtswidrige Weise, unter Begehung eines immerhin strafbaren Hausfriedensbruchs durch das nächtliche Eindringen in die Hühnerställe, gefertigt wurden. Zum anderen, weil die durch die Videoaufnahmen dokumentierten Zustände in den Hühnerställen gesetzeskonform waren, darin also keine Form verbotener Tierhaltung gezeigt wurde. Im Ergebnis vermag die Entscheidung des BGH aus pragmatischen Gründen zu überzeugen, da eine Berichterstattung über die tatsächlichen Umstände bei der Herstellung von Produkten kaum möglich wäre und daher die Pressefreiheit stark einschränken würde, wenn die Zulässigkeit einer solchen Berichterstattung von einer Genehmigung des Herstellers abhängig wäre. Die Entscheidung des BGH ist aber auch nicht als Freibrief für die Presse zu verstehen, illegal gefertigtes Videomaterial zu verwenden. Presseorgane werden auch zukünftig abwägen müssen, inwieweit die Verwendung solchen Materials unter Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen rechtlich zulässig ist.

BGH zu Bonusaktionen bei der Nutzung von Smartphone-Apps – mytaxi

In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Bonusaktionen bei der Vermittlung von Taxi-Dienstleistungen bei der Nutzung von Smartphone-Apps – in diesem Fall der App mytaxi – nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer verstoßen.

Die Klägerin des Rechtstreits ist ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von Taxizentralen in Deutschland, der die Taxi-Bestell-App „Taxi Deutschland“ betreibt. Die Beklagte vermittelt Taxi-Dienstleistungen über die Smartphone-App mytaxi.

Streitgegenständlich waren vier Bonusaktionen von mytaxi, bei denen registrierte Nutzer lediglich die Hälfte des regulären Fahrpreises zu zahlen hatten. Die andere Hälfte des Fahrpreises erhielt der Taxifahrer abzüglich Vermittlungsgebühren von der Beklagten.

Der BGH hat damit die anderslautenden Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main aufgehoben. Das Landgericht hatte der Klage noch stattgegeben und die dagegen beim Oberlandesgericht eingelegte Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat entschieden, dass die Bonusaktionen von mytaxi nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer verstoßen. Der Anbieter der App mytaxi selbst sei kein Taxiunternehmer, für den die Festpreise gelten würden. Die Tätigkeit von mytaxi beschränke sich auf die Vermittlung von Fahraufträgen, die von unabhängigen Taxiunternehmen selbständig durchgeführt werden. Diese Taxiunternehmen könnten uneingeschränkt die Dienste anderer Vermittler, wie etwa der Klägerin, in Anspruch nehmen.

Der Anbieter von mytaxi hafte auch nicht als Anstifter oder Gehilfe für Wettbewerbsverstöße der die Vermittlungsleistungen in Anspruch nehmenden Taxiunternehmer. Die Beteiligung der Taxiunternehmer an den Bonusaktionen sei mit dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) vereinbar.

Die im PBefG enthaltenen Bestimmungen zur Tarifpflicht im Taxiverkehr wären zwar Marktverhaltensregelungen im wettbewerbsrechtlichen Sinne und der Taxiunternehmer dürfe daher keinen Nachlass auf die tariflichen Festpreise gewähren. Werde der Festpreis vollständig an ihn gezahlt, liege jedoch kein Verstoß gegen die Tarifpflicht vor. Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die Tarifpflicht komme es daher darauf an, ob das Vermögen des Taxiunternehmers nach Beförderung des Fahrgastes in Höhe des Festpreises vermehrt werde. Wie der Fahrgast das Entgelt finanziere, sei ohne Bedeutung. Bei den Aktionen von mytaxi erhielten die Taxiunternehmen den vollen tariflichen Festpreis. Soweit mytaxi dabei eine Provision von 7% des Fahrpreises abziehe, handele es sich um eine zulässige Vergütung der Vermittlungsleistung.

Auch Sinn und Zweck der Tarifpflicht des Taxiunternehmers würden kein anderes Ergebnis gebieten. Die Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs werde durch die beanstandeten Werbeaktionen von mytaxi nicht beeinträchtigt. Solange den Taxiunternehmen ausreichende Vermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, bestehe kein Grund, den Wettbewerb im Bereich der Taxivermittlung im Interesse der Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs einzuschränken.

Auch eine unzulässige gezielte Behinderung der Klägerin durch mytaxi liege nicht vor. Die nicht kostendeckende Erbringung einer Dienstleistung sei nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten, und zwar insbesondere dann, wenn sie zur Verdrängung von Mitbewerbern geeignet wäre und in Verdrängungsabsicht erfolge. Es fehle jedoch eine Eignung zur Verdrängung, weil die Aktionen von mytaxi sowohl räumlich auf mehrere deutsche Großstädte als auch zeitlich beschränkt waren.

BGH, Urteil vom 29.03.2018 (Az. I ZR 34/17 – „My Taxi“)

Anmerkung: In seiner Entscheidung ist der BGH einer allzu restriktiven Anwendung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen entgegen getreten. Taxigutscheine waren auch zuvor bereits grundsätzlich zulässig und auch weit verbreitet und es ist daher nicht ersichtlich, weshalb das bei Nutzung einer Smartphone-App anders sein sollte. Es ist jedenfalls nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetz (PBefG), den Preiswettbewerb gegenüber den Taxizentralen zu unterbinden, sondern dieses soll vielmehr den Taxiunternehmen einheitliche Vergütungen für dieselben Dienstleistungen garantieren. Dies wird aber schon deshalb sichergestellt, weil mytaxi über das eigene Abrechnungssystem den angeschlossenen Taxifahrern Vergütungen gewährt, die dem amtlich festgesetzten Taxitarif entsprechen.