EuGH zur Verlinkung als (potenzielle) Urheberrechtsverletzung
In einem viel diskutierten Urteil vom 08.09.2016 schränkt der EuGH unter Auslegung der zugrundeliegenden Infosoc-Richtlinie* die Linkfreiheit ein. Bereits das bloße Verlinken auf online zugängliche Inhalte kann demnach eine Urheberrechtsverletzung darstellen.
Bei der Entscheidung ging es um die (unzweifelhaft unerlaubte) Veröffentlichung von Playboy-Fotos auf einer Website in Australien. Auf diese Fotos verlinkte nun ein niederländisches Online-Magazin (GeenStijl). Der Playboy-Verlag ging zum einen erfolgreich gegen diese unerlaubte Veröffentlichung in Australien vor und verlangte darüber hinaus von GeenStijl, die Links dorthin zu entfernen, was GeenStijl jedoch ablehnte und sogar, nachdem die Bilder von der ersten Seite entfernt worden waren, darüber hinaus auf eine andere, ebenso nicht lizenzierte Quelle der Fotos verlinkte.
Die Entscheidung des EuGH:
Das Setzen eines Hyperlinks auf eine Website zu urheberrechtlich geschützten Werken, die ohne Erlaubnis des Urhebers auf einer anderen Website veröffentlicht wurden, stellt nur dann keine „öffentliche Wiedergabe“ dar, wenn dies ohne Gewinnerzielungsabsicht und ohne Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke geschieht.
Zwar kann der Internetnutzer nicht ohne weiteres erkennen, ob ein frei zugängliches Werk rechtmäßig veröffentlicht worden ist oder nicht. Im Falle eines frei zugänglichen Inhalts, der schon im Netz vorhanden ist, haftet man dann nicht, wenn man als Verlinkender nicht weiß, dass der Inhalt unrechtmäßig ins Netz gestellt wurde.
Wenn der Verlinkende jedoch weiß, dass die Inhalte, auf die der Link verweist, ohne Zustimmung des Rechteinhabers (oder gar gegen dessen ausdrücklichen Willen) veröffentlicht wurden, handelt es sich bei dem Link um eine öffentliche Wiedergabe, die eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Demzufolge ist ein Link auch zu entfernen, wenn der Verlinkende später erfährt, dass der Inhalt unrechtmäßig eingestellt wurde.
Nach Auffassung des EuGH kann darüber hinaus zumindest in den Fällen, in denen Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, also bei gewerblichen Betreibern von Webseiten, von diesen erwartet werden, dass sie die erforderlichen Nachprüfungen vornehmen, um sicher zu gehen, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde.
EuGH, Urteil vom 08.09.2016 (Az. C-160/15 – „GS Media“)
Anmerkung: In Zukunft werden kommerzielle Webseiten-Betreiber ihr Augenmerk (auch) darauf zu richten haben, auf welche Inhalte sie verlinken. Ist erkennbar, dass es sich dabei um Inhalte handelt, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers dort öffentlich zugänglich gemacht werden, so ist eine Urheberrechtsverletzung zu bejahen, so dass der Rechteinhaber nun auch gegenüber dem Link-Setzer seine urheberrechtlichen Ansprüche geltend machen kann.
*RICHTLINIE 2001/29/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft
Update (12.12.2016)
Als erstes deutsches Gericht hat das Landgericht (LG) Hamburg in einem einstweiligen Verfügungsverfahren mit Beschluss vom 18.11.2016 (Az. 310 O 402/16) entschieden, dass ein Betreiber einer kommerziellen Website für einen von ihm gesetzten Link auf eine Website mit urheberrechtsverletzenden Inhalten haftet. Nach Ansicht des LG Hamburg stellt die Verlinkung auf eine Website, auf der im dortigen Fall ein bearbeitetes Foto (rechtswidrig) gezeigt wird, eine eigene öffentliche Wiedergabe des bearbeiteten Fotos dar. Auch das in subjektiver Hinsicht für eine öffentliche Wiedergabe erforderliche Verschulden, wonach der Linksetzer schuldhaft in dem Sinne gehandelt haben müsse, dass er um die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung wusste oder hätte wissen müssen, bejaht das LG. Dabei gilt nach Ansicht der Hamburger Richter für den Betreiber einer Website, der mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, ein strengerer Verschuldensmaßstab. Er habe sich durch Nachforschungen zu vergewissern, ob der verlinkte Inhalt rechtmäßig zugänglich gemacht wurde.
Betont sei an dieser Stelle, dass das LG der Auffassung ist, dass die einzelne Linksetzung nicht darauf abzielen müsste, (höhere) Gewinne zu erzielen, wie etwa durch Klick-Honorierungen. Unter Gewinnerzielungsabsicht ist nach Auffassung des Gerichts bereits ein Internetauftritt zu verstehen, der insgesamt zumindest auch der Gewinnerzielungsabsicht (mittelbar) dient.
Anmerkung: Dieser Beschluss, der leider rechtskräftig dadurch wurde, dass der belangte Webseitenbetreiber auf Rechtsmittel gegen die Entscheidung verzichtete, sorgt derzeit unter Juristen und Internet-Usern für heftige Diskussionen, ja gar Aufruhr. Das LG Hamburg ging in seiner Entscheidung nach unserer Ansicht über die Vorgaben des EuGH hinaus. Die Konsequenzen für das Link-Setzen und damit die Informations- und Kommunikationsfreiheit sind noch nicht abzusehen. Allerdings, und das sei an dieser Stelle betont, handelt es sich lediglich um eine einzelne Entscheidung eines Gerichts – und dies auch nur in einem Verfügungsverfahren. Es bleibt abzuwarten, wie andere Gerichte und letztendlich der BGH mit der Rechtsprechung des EuGH und der Auslegung der zugrundeliegenden Infosoc-Richtlinie umgehen werden. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.
EuGH zu Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Online-Shops
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich einem Urteil mit der Zulässigkeit von so genannten Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Online-Shops beschäftigt.
In der Entscheidung des EuGH ging es um die Klausel in den AGB von Amazon, dass auf die vertraglichen Beziehungen von Amazon zu den Kunden von Amazon ausschließlich luxemburgisches Recht anwendbar sein sollte.
Der EuGH hat dazu entschieden, dass eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Gewerbetreibenden enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der auf einen auf elektronischem Weg mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrag das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden ist, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, missbräuchlich ist, sofern sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie ihm den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung (Rom-I-VO; VO (EG) Nr. 593/2008) auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre.
EuGH, Urteil vom 28.07.2016 (Az. C-191/15 – „Verein für Konsumenteninformation / Amazon EU Sàrl“)
Anmerkung: Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechung hat diese Entscheidung voraussichtlich nicht, denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits 2012 (BGH, Urteil vom 19. Juli 2012, Az. I ZR 40/11 – „Pharmazeutische Beratung über Call-Center“), ebenfalls unter Verweis auf die Rom-I-VO, im Fall einer ausländischen Versandapotheke, entschieden, dass derartige Rechtswahlklauseln inländische (deutsche) Verbraucher unangemessen benachteiligen können. Rechtswahlklauseln in AGB von Online-Shops, die eine ausschließliche Anwendbarkeit nationalen (deutschen oder ausländischen) Rechts regeln, sind und bleiben daher jedenfalls dann sehr riskant, wenn sich das Angebot eines Online-Shops auch an Verbraucher außerhalb des Landes richtet, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat. Wer eine solche Regelung in den AGB seines Online-Shops hat, setzt sich dadurch der Gefahr aus, aus wettbewerbsrechtlichen Gründen abgemahnt zu werden.