BGH zur Haftung als Mittäter beim Filesharing – Konferenz der Tiere
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Teilnehmer einer Internettauschbörse, die bei so genanntem Filesharing Dateifragmente eines urheberrechtlich geschützten Werkes in der Tauschbörse zum Herunterladen anbieten, das dort zum Herunterladen bereit gehalten wird, regelmäßig als Mittäter einer gemeinschaftlich mit den anderen Nutzern der Internettauschbörse begangenen Verletzung des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung des Werks haften.
Die Klägerin in dem vom BGH entschiedenen Rechtstreit war Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Film „Konferenz der Tiere 3 D“. Der Beklagte hatte zuvor über seinen Internetanschluss dem Film zuzuordnende Datenpakete über eine Internettauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die auf Schadenersatz und Abmahnkosten gerichtete Klage war in der ersten Instanz abgewiesen worden und auch in der Berufung ohne Erfolg geblieben, da sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht ergeben hätte, dass über den Internetanschluss des Beklagten eine lauffähige Version des Films oder eines Teils davon zum Herunterladen angeboten worden sei. Dies sei für die Geltendmachung von urheber- und leistungsschutzrechtlichen Ansprüchen aber erforderlich, da eine nur teilweise zur Verfügung gestellte Datei regelmäßig nicht lauffähig und konsumierbar sei, weshalb es sich nicht um eine Nutzung des geschützten Werks oder seiner Teile handele, sondern lediglich um „Datenmüll“.
Nach Auffassung des BGH konnte eine Haftung des Beklagten im Streitfall nicht verneint werden, weil der Beklagte als Mittäter einer gemeinschaftlich mit den anderen Nutzern der Internettauschbörse begangenen Verletzung des Leistungsschutzrechts der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung des Films „Konferenz der Tiere 3 D“ oder urheberrechtsschutzfähiger Teile hiervon hafte. Die Frage, ob sich jemand als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in einer seine zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an einer deliktischen Handlung beteiligt hat, beurteile sich nach den im Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Täter ist danach, wer die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft (vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken.
Der objektive Tatbeitrag des einzelnen Teilnehmers an einer Internettauschbörse liege in der Bereitstellung von Dateifragmenten, die gemeinsam mit weiteren von anderen Teilnehmern der Tauschbörse bereitgestellten Dateifragmenten auf dem Computer des herunterladenden Nutzers zur Gesamtdatei zusammengefügt werden können. Das Filesharing über sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke (P2P Netzwerke) diene der Erlangung und Bereitstellung funktionsfähiger Dateien. Jeder Teilnehmer eröffne anderen Teilnehmern des Netzwerks die Möglichkeit, von ihm heruntergeladene Dateien oder Dateifragmente ihrerseits von seinem Computer herunterzuladen; der Download gehe also mit dem Angebot zum Upload einher. Typischerweise beziehe ein Teilnehmer, der eine Datei herunterlädt, Dateifragmente von vielen verschiedenen Teilnehmern. Jedes Dateifragment lasse sich anhand des sogenannten Hashwerts als zu einer bestimmten Gesamtdatei zugehörig identifizieren und habe eine Nummer, die seine Position in der Ursprungsdatei kennzeichne. Die zum Herunterladen bereitgestellten Dateifragmente seien somit kein „Datenmüll“, sondern individuell adressierte Datenpakete, die auf dem Computer des herunterladenden Nutzers zur Gesamtdatei zusammengefügt werden können. Aus der Funktionsweise des P2P Netzwerks als arbeitsteiliges System folge zugleich, dass den Tatbeiträgen der Teilnehmer eine kumulative Wirkung zukomme und die Gesamtheit der im Netzwerk verfügbaren Dateifragmente eine funktionsfähige Kopie der Ursprungsdatei ergebe. Mangels gegenteiliger Feststellungen sei zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem vom Internetanschluss des Beklagten vorgenommenen Angebot zum Herunterladen über die Tauschbörse eine vollständige Version des Films „Konferenz der Tiere 3 D“ oder eines urheberrechtsschutzfähigen Teils hiervon zum Herunterladen angeboten worden sei.
Das Bereitstellen von Dateien oder Dateifragmenten über ein P2P Netzwerk erfolge regelmäßig im Rahmen eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens der Teilnehmer. Dem stehe nicht entgegen, dass die Teilnehmer der Tauschbörsen anonym bleiben und nicht untereinander kommunizieren, denn Mittäterschaft kommt auch in Betracht, wenn die Beteiligten einander nicht kennen, sofern sich jeder bewusst ist, dass andere mitwirken und alle im bewussten und gewollten Zusammenwirken handeln. Die Funktionsweise von Internettauschbörsen sei deren Teilnehmern regelmäßig jedenfalls insofern geläufig, als sie sich im Klaren darüber sind, nicht nur Dateien oder Dateifragmente von den Computern anderer Teilnehmer auf ihren Computer herunterzuladen, sondern zugleich im Netzwerkverbund anderen Nutzern das Herunterladen von Dateien oder Dateifragmenten zu ermöglichen, um eine funktionsfähige Gesamtdatei zu erhalten. Auch wenn es an technischem Spezialwissen fehlt, sei den Teilnehmern einer Internettauschbörse regelmäßig bewusst, dass sie auf diese Weise im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit anderen Teilnehmern des Netzwerks das Herunterladen vollständiger und funktionsfähiger Dateien ermöglichen. Sie wirkten daher bei der öffentlichen Zugänglichmachung der Dateien mit den anderen Teilnehmern der Tauschbörse bewusst und gewollt zusammen. Dass es dem Teilnehmer einer Internettauschbörse in erster Linie darauf ankommen könne, selbst in den Genuss der heruntergeladenen Dateien zu gelangen, stehe der Annahme vorsätzlichen Zusammenwirkens mit den anderen Teilnehmern nicht entgegen. Wisse er, dass im Rahmen der arbeitsteiligen Funktionsweise der Tauschbörse die Bereitstellung der von ihm heruntergeladenen Dateien oder Dateifragmente im Netzwerk eine notwendige Begleiterscheinung des Herunterladens auf den eigenen Computer ist, so nehme er diese Folge seines Handelns mindestens billigend in Kauf. Dies reiche für die Annahme von Mittäterschaft aus
BGH, Urteil vom 06.12.2017 (Az. I ZR 186/16 – „Konferenz der Tiere“)
Anmerkung: Mit seiner Entscheidung hat der BGH einer auf technische Gründe basierten Rechtsverteidigung eine deutliche Absage erteilt, indem er die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Nutzer von Tauschbörsen als Mittäter an einer von mehreren gemeinschaftlich begangenen Urheberrechtsverletzung bejaht hat. Dieser rechtliche Ansatz ist nicht ganz neu und wurde vom BGH auch bereits in anderen Filesharing Fällen verfolgt. Interessant daran ist allerdings, dass der BGH davon ausgeht, dass inzwischen jedem bekannt sei, wie Filesharing prinzipiell funktioniere und der Nutzer der Tauschbörse dies deshalb auch gewusst haben müsste. Ob sich diese Annahme allgemein auf Filesharing Fälle übertragen lassen wird, erscheint in praktischer Hinsicht allerdings zweifelhaft, da man auch nach der Entscheidung des BGH nicht bei jedem Nutzer automatisch davon ausgehen können dürfte, dass er tatsächlich über entsprechende Kenntnisse über die Funktionsweise von P2P Netzwerken verfügt. Absehbar dürfte aber sein, dass sich damit die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zuungunsten von wegen urheberrechtswidrigen Filesharings in Anspruch genommenen Nutzern von P2P Netzwerken erhöhen werden.