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Bewertungsportal jameda.de ist nicht neutral, BGH erlaubt Löschung von Arztprofil

Der BGH erlaubt Ärzten, die kein so genanntes (kostenpflichtiges) Premiumprofil bei jameda.de besitzen, unter bestimmten Bedingungen die Löschung ihres Profils vom Arztbewertungsportal, weil Jameda sich nicht neutral verhält.

BGH, Urteil vom 20.02.2018 (Az. VI ZR 30/17).

Die Parteien stritten um die Aufnahme der klagenden Ärztin in das Arztbewertungsportal der Beklagten, jameda GmbH. Nachdem die Vorinstanzen (LG Köln, Urteil vom 13.07.2016, Az. 28 O 7/16 und OLG Köln, Urteil vom 05.01.2017, Az. 15 U 198/15) die Klage der Ärztin zurückgewiesen hatten, musste sich der Bundesgerichtshof mit der Sache beschäftigen.

Worum ging es?

Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Arztsuche- und Arztbewertungsportal, auf dem Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei von den Besuchern der Webseite abgerufen werden können. Als eigene Informationen der Beklagten werden die sogenannten „Basisdaten“ eines Arztes angeboten. Zu ihnen gehören in der Regel akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch von Freitextkommentaren, abgegeben haben.

Die Beklagte bietet den Ärzten den kostenpflichtigen Abschluss von Verträgen an, bei denen ihr Profil – anders als das Basisprofil der nichtzahlenden Ärzte – mit einem Foto und zusätzlichen Informationen versehen wird. Des Weiteren  werden beim Aufruf des Profils eines nichtzahlenden Arztes als „Anzeige“ gekennzeichnet die Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfernungsangaben und Noten eingeblendet. Demgegenüber blendet die Beklagte bei Ärzten, die sich bei ihr kostenpflichtig registriert und ein „Premium-Paket“ gebucht haben, keine Konkurrenten auf deren Profil ein, eine Werbung für Dritte unterbliebt also in diesem Fall.

Die Klägerin ist Hautärztin. Auf dem Portal der Beklagten wird sie als Nichtzahlerin gegen ihren Willen ohne Bild mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt. Bei Abruf ihres Profils auf dem Portal der Beklagten erscheinen unter der Rubrik „Hautärzte (Dermatologen) (mit Bild) in der Umgebung“ weitere (zahlende) Ärzte mit demselben Fachbereich und mit einer Praxis in der Umgebung der Praxis der Klägerin. Dargestellt wird neben der Note des jeweiligen anderen Arztes die jeweilige Distanz zwischen dessen Praxis und der Praxis der Klägerin. Die Klägerin erhielt in der Vergangenheit mehrfach Bewertungen. Sie beanstandete durch ihre Rechtsanwälte im Jahr 2015 insgesamt 17 abrufbare Bewertungen auf dem Portal der Beklagten. Nach deren Löschung stieg die Gesamtnote der Klägerin von 4,7 auf 1,5.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage von der Beklagten die vollständige Löschung ihres Eintrags auf www.jameda.de, die Löschung ihrer auf der Internetseite www.jameda.de veröffentlichten Daten, auf Unterlassung der Veröffentlichung eines sie betreffenden Profils auf der genannten Internetseite.

Die Entscheidung des BGH:

Der BGH hat der Klage der Ärztin stattgegeben. Nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Dies war vorliegend der Fall. Der Senat hat mit Urteil vom 23. September 2014 – VI ZR 358/13 für das von der Beklagten betriebene Bewertungsportal bereits im Grundsatz entschieden, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit eine Bewertung der Ärzte durch Patienten zulässig ist (Jameda: Arzt muss Bewertungen grundsätzlich dulden).

Der vorliegende Fall unterscheidet sich vom damaligen in einem entscheidenden Punkt. Mit der vorbeschriebenen, mit dem Bewertungsportal verbundenen Praxis verlässt die Beklagte ihre Stellung als „neutraler“ Informationsvermittler. Während sie bei den nichtzahlenden Ärzten dem ein Arztprofil aufsuchenden Internetnutzer die „Basisdaten“ nebst Bewertung des betreffenden Arztes anzeigt und ihm mittels des eingeblendeten Querbalkens „Anzeige“ Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten bietet, lässt die jameda GmbH auf dem Profil ihres „Premium“-Kunden – ohne dies dort dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen und kenntlich zu machen – solche über die örtliche Konkurrenz unterrichtenden werbenden Hinweise nicht zu. Nimmt sich die Beklagte aber in dieser Weise zugunsten ihres Werbeangebots in ihrer Rolle als „neutraler“ Informationsvermittler zurück, dann kann sie ihre auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK) gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) auch nur mit geringerem Gewicht geltend machen. Das führt hier zu einem Überwiegen der Grundrechtsposition der Klägerin, so dass ihr ein „schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung“ ihrer Daten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG) zuzubilligen ist, so dass damit Jameda seinerseits kein schutzwürdiges Interesse mehr an der Nutzung der Daten der Ärztin zuzubilligen ist.

Anmerkung:

Das Urteil ist ein Meilenstein für viele Ärzte. Denn so mancher Arzt möchte überhaupt nicht auf Portalen wie Jameda und anderen aufgeführt werden. In vielen Fällen können Ärzte nun die vollständige Löschung ihrer Daten und ihres Profils verlangen, wenn das Portal nicht als neutraler Informationsvermittler agiert, sondern die Daten des Arztes (auch) für werblich-kommerzielle Zwecke nutzt.

Für den Verbraucher dürfte das Urteil ebenfalls positive Auswirkungen haben. Jameda etc. werden jetzt umfangreiche Änderungen (auch am Geschäftsmodell) vornehmen müssen, um ein tatsächlich neutraler Informationsvermittler zu sein. Kommerzielle und werbliche Angebote dürften voraussichtlich in naher Zukunft streng und für den Verbraucher leicht erkennbar von dem reinen Informationsangebot zu trennen sein. Für Jameda und andere Arztportale könnte das Urteil zur Folge, dass zukünftig weitere Ärzte Löschungsanträge stellen werden. Zudem werden solche Bewertungsportale ihr strukturelles Angebot ihrer Internetseiten grundlegend ändern müssen, wenn sie wieder die Privilegien eines neutralen Informationsvermittlers für sich in Anspruch nehmen wollen.

Das Urteil dürfte aber auch auf Bewertungsportale für andere Branchen (Hotels, Restaurants, Rechtsanwälte) Einfluss haben. Die Tendenz ist klar erkennbar. Nur wer neutral Informationen anbietet und nicht zwischen zahlenden und nicht-zahlenden Mitgliedern unterscheidet, unterliegt der Meinungs- und Medienfreiheit.

„Fack Ju Göhte“ als Marke nicht eintragungsfähig

Kategorien: Markenrecht, Medienrecht, News

Das Europäische Gericht (EuG) in Luxemburg sieht in der Wortfolge „Fack Ju Göhte“ eine Bezeichnung, die als Marke gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt.

So bekannt als Filmreihe und doch nicht als Marke schutzfähig. Die Constantin Film Produktion GmbH, die Produzentin der überaus erfolgreichen Kinofilme, hatte versucht beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke zur Eintragung zu bringen. Der Antrag wurde vom Amt jedoch zurückgewiesen, Constantin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde beim EUIPO ein, welche jedoch nicht zum gewünschten Erfolg führte. Nämlich nicht zu der Eintragung einer Wortmarke Fack Ju Göhte für unter anderem Waren wie Seifen; Parfümeriewaren; Schmuckwaren; Bekleidungsstücke; Biere; Mineralwässer; alkoholfreie und alkoholische Getränke; Druckereierzeugnisse oder Spielsachen.

Hiergegen erhob Constantin Film Klage vor dem Europäischen Gericht und unterlag auch dort.

Das Gericht stützte die Entscheidung auf den markenrechtlichen Grundsatz, dass Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, von der Eintragung ausgeschlossen sind. Dies stellt ein so genanntes absolutes Eintragungshindernis dar. Maßgeblich für die Beurteilung ist die Verkehrsauffassung des durchschnittlichen Verbrauchers. Der Begriff „fuck“ wird sowohl als Nomen, als auch als Adjektiv, Adverb und Interjektion verwendet, und wie bei den meisten gebräuchlichen Wörtern entwickelt sich sein Sinn im Laufe der Jahre und hängt vom Zusammenhang ab, in dem er verwendet wird, so das EuG. Wenn dem englischen Ausdruck „fuck you“ in seiner ureigenen Bedeutung also eine sexuelle Bedeutung beizumessen und er von Vulgarität geprägt ist, so wird er doch auch in einem anderen Zusammenhang verwendet, um Wut, Enttäuschung oder Missachtung gegenüber einem anderen zum Ausdruck zu bringen. Aber selbst in einem solchen Fall bleibt dieser Ausdruck durch eine ihm innewohnende Vulgarität geprägt und der am Ende des in Rede stehenden Zeichens hinzugefügte Bestandteil „Göhte“ ermöglicht zwar eine Bestimmung des „Adressaten“ der Wörter am Anfang des Zeichens, ist aber nach Ansicht des Gerichtes nicht geeignet, die Vulgarität abzumildern. Hieran ändert auch die satirisch-, scherz- und fehlerhafte Schreibweise, die jugendlichen Slang aufgreife (sic!) nichts. Das Gericht weist in seiner Entscheidung weiter darauf hin, dass im Bereich der Kunst, der Kultur und der Literatur stets der Schutz der freien Meinungsäußerung angestrebt wird, dies aber auf den Bereich des Markenrechts nicht übertragbar sei.

EuG, Urteil vom 24.01.2018 (Az. T69/17)

Anmerkung: Gegen die Entscheidung kann noch der Europäische Gerichtshof (EuGH) angerufen werden. Nach unserer Einschätzung dürfte der EuGH allerdings zu keiner anderen Auffassung gelangen. Allerdings sind durchaus Zweifel angebracht, ob der Wortfolge „Fack Ju Göhte“ tatsächlich der Schutz versagt werden sollte. Denn unserer Auffassung nach, wird der verständige Durchschnittsverbraucher, gerade der Jugendliche, nicht abgestoßen, wenn etwa auf dem einem Bekleidungsstück oder einer Bierflasche oder auf einer Basecap „Fack Ju Göhte“ zu lesen ist. Eventuell sollte der Begriff der guten Sitten im Markenrecht überdacht werden. Gröbste Verstöße ließen sich dann immer noch über den Begriff der öffentlichen Ordnung in Bezug auf offensichtlich obszöne und grob anstößige Marken verhindern.